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Beitrag vom 04.03.2009
Howling Bells - Radio Wars
Tatjana Zilg
Schon vor einiger Zeit verabschiedete sich Juanita Stein gemeinsam mit Glenn Moule und ihrem Bruder Joel vom australischen Kontinent und fand auf der Insel des Brit Pop neue Inspirationen, deren ...
... Nachwirkungen jetzt einen musikalischen Richtungswechsel initiierten. Die "Twin Peaks" durchdrungene Melodramatik des Debuts von 2006 ist auf ihrer zweiten Scheibe wie weggeweht. "Radio Wars" sprüht über vor explosiver Energie und macht das Feuer des Glam Rock mit der Leichtigkeit des Pop bekannt.
Die E-Gitarren formieren sich zu schwebend luftigen Sound-Gewittern, werden dabei von tempogeballten Schlagwerk und dem Bass von Brendan Picchio, der kurz nach ihrer Ankunft in England zu ihnen stieß, geerdet. Sphärische Synthesizer lassen die Songs an pointierten Stellen weit in den Raum schweifen und machen sie auch für große Stadien tauglich - möglicherweise liebäugeln die Vier hier mit der Open Air - Saison 2009.
Es hat ihnen auf jeden Fall große Freude gemacht, sich der Musik auf neue Art zu nähern, und sie noch fester zusammengeschweißt:
"This record is a great leap for us", sagt Juanita. "Our debut album was more of a lonesome creation, out of found and lost love, came the inspiration for most of the tracks, which were written in my bedroom."
"However, this time it was a collaboration between the four of us. Hearts, minds and ideas in equal measure. We`re all embracing new concepts and sounds. We perpetually challenged one another and the songs", ergänzt Brendan.
"It`s very important for us that the music would connect with people and elevate them bringing a growing optimism and unity", zieht Joel als Fazit.
Dennoch kommt "Radio Wars" keinesfalls zu zuversichtlich oder pathetisch daher. Auch hier geben sie sich - wie Cover und Website-Design bereits vermuten lassen - mysteriös angehaucht. Ihre Songs scheuen dunkle Seiten nicht und zeichnen sich gleichzeitig durch eine erfrischend positive Grundstimmung aus. Mit dem Intro "Treasure Hunt" läuten sie die Schatzsuche nach ihrer neuen musikalischen Richtung selbstbewusst ein.
Inhaltliches Kernthema des Album ist der Widerstreit, der zu heutiger Zeit zwischen dem Mensch und der hochtechnisierten Umgebung entstehen kann. Die Idee entstand spontan, als sie während des Rückzugs für die Arbeit an dem Album in einem Landhaus in Victoria in Konflikt mit einem Radio gerieten, auf dem sich partout nicht der gewünschte Sender einstellen ließ. In "Digital Hearts" beschreiben sie den Privatkrieg mit dem inhumanen Musiklieferanten detailgenau und verweben ihn mit ihrem temperamentvollen Sound.
Ihre Sound-Sphären erzeugen eine vielschichtige Umgebung, die kaum eine Ruhepause zulässt. Nur auf "Ms. Bell`s Song" wird es etwas ruhiger und Akustik-orientiert, mit einer kleinen Referenz in Richtung Folk. Diese wird aber unmittelbar danach von "Golden Web" wieder aufgehoben, denn das einprägsame Nu Wave-Stück flirtet lieber mit den viel gelobten Qualitäten von Blondie und Blonde Redhead. Insgesamt bewegen sich die Songs aber zumeist in Richtung Brit Pop, so auch die eingängige Hymne an die Kindheit "Let`s Be Kids" und das als Festival-Höhepunkt geeignete "Cities Burning Down".
Juanita`s Gesang zeigt sich dabei durchgehend wunderbar rockig und verführerisch lässig und verhindert so ein Entschwinden ins Pop-Labyrinth.
Weiterhören: Duke Spirit und The Raveonettes
Howling Bells im Netz: www.howlingbells.net und auf Myspace
AVIVA-Tipp: Die zumeist schnell voranpreschenden, melodiös reichhaltigen Songs wirbeln die Endorphine gewaltig auf und liefern den HörerInnen das notwendige Rüstzeug für den kommenden Frühling. Und lassen gespannt sein, wohin sich die Vier bei ihrem weiteren musikalischen Weg noch entwickeln werden. An einigen Stellen wäre mehr Gegengewicht zu der schwelgenden Leichtigkeit durchaus reizvoll gewesen. Vielleicht gelingt es Howling Bells beim nächsten Album, die Melodramatik des zurückgelassenen "Twin Peaks" - Sounds etwas mehr einzubeziehen und so die musikalische Varianz zu erhöhen.
Howling Bells
Radio Wars
Label: Independiente, PIAS, Rough Trade, VÖ Februar 2009